Warum es sinnvoll ist, bei einer Frühgeburt eine Doula an seiner Seite zu haben

Wenn alles anders kommt…

Die Geburt liegt noch in weiter Ferne, die werdenden Eltern haben sich aber bereits Gedanken gemacht, wie die optimale Geburt aussehen soll. Vielleicht wurde der Geburtsort definiert und viele Wünsche bezüglich des Ablaufs besprochen. Im besten Fall wurde sogar bereits eine Doula gewählt, die bei der Geburt zur Seite stehen soll.

Und dann platzt der Traum – das Baby will oder muss zu früh auf die Welt kommen. Die Gründe können vielfältig sein und für die Eltern oft schwer auszuhalten, meist auch unergründlich. Ich erlebe in meiner Arbeit auf der Neonatologie oft die Ratlosigkeit, was jetzt die Frühgeburt ausgelöst haben könnte.

Den werdenden Eltern gehen jetzt viele Dinge gleichzeitig durch den Kopf: Wird das Kind alles gut überstehen? Was wird jetzt aus den schönen Plänen für die Geburt? Machtlosigkeit macht sich breit, da man oft keinen Einfluss mehr auf den Geburtsmodus nehmen kann und auch klar ist, dass nach der Geburt eine Trennung von Mutter und Kind stattfindet.

Vielleicht haben die Eltern jetzt noch Zeit, sich mit dem Gedanken zu arrangieren, dass das eigene Kind bereits jetzt eigene Pläne hat und die nicht unbedingt mit den eigenen zusammenpassen. Willkommen im Leben mit Kindern.

Der Gedanke, die bestellte Doula wieder abzusagen, da ja jetzt keine natürliche, geplante Geburt stattfinden kann, liegt nahe. „Danke, wir brauchen dich jetzt nicht mehr, es findet ja alles anders statt als geplant.“

Nur leider ist dieser Gedanke genau der falsche…

Auf die Eltern kommt eine stressige, hochemotionale Zeit zu, die viel abverlangt. Das gemütliche, geschützte und so nötige Wochenbett wird ersetzt durch Anwesenheit auf der Neonatologie, Milch pumpen und dem Wunsch, möglichst oft für das Kind da zu sein. Es braucht die Eltern jetzt so nötig, um sich gut entwickeln zu können.

Für Mama bedeutet das, so schnell wie irgendwie möglich fit und mobil zu sein und alle eigenen Bedürfnisse hinten anzustellen. Die Väter erleben vielfach eine nie gekannte Hilflosigkeit: Soll man sich jetzt um die Frau oder das Frühgeborene kümmern oder zu Hause alles am Laufen halten?

Ausserdem ist für Väter allein die körperliche Zartheit dieses kleinen Wesens, das man nicht kaputtmachen will, schon abschreckend, und sie trauen sich vielfach nicht, den Körperkontakt mit dem winzigen Kind aufzunehmen. Gerne wird dann der Monitor gecheckt, die Pflege interviewt und das Ganze sehr sachlich angegangen. Man muss Fakten haben. Dabei ist für das Neugeborene der Kontakt – am liebsten Haut-zu-Haut auch mit dem anderen Elternteil – extrem wertvoll.

Die Anwesenheit auf der Neonatologie kann viel Zeit und Organisation in Anspruch nehmen und birgt viel Zeit zum Nachdenken. Jede schlechte Nachricht kann die Welt zusammenstürzen lassen, oft heisst es warten und aushalten.

Professionelle Unterstützung in emotional anspruchsvoller Zeit

In dieser emotional hoch anspruchsvollen Zeit ist es extrem wertvoll, wenn die Eltern professionelle Hilfe erfahren. Ein offenes Ohr, unbegrenzte Zeit zum Zuhören kann die Verarbeitung des Geschehens sehr fördern.

Es gibt Phasen der Stagnation, des Bangens, aber auch der Freude, die in der Öffentlichkeit des Stationsgeschehens erlebt werden – nicht im kuscheligen, geschützten Rahmen des Wochenbetts zu Hause.

Die eigene Hebamme, die vielleicht die ganze Schwangerschaft begleitet hat, kann oft die Betreuung auf der Neonatologie nicht leisten – ihr Fokus liegt ebenfalls eher im medizinischen Bereich. Die Neonatologie bietet zwar Psychologen und Seelsorger an, aber auch diese sind nicht rund um die Uhr und nach persönlicher Präferenz verfügbar.

Natürlich ist das Pflegepersonal sehr nah am Geschehen und kann durch einfühlsame Pflege den Eltern Halt geben, aber ihr Fokus muss primär auf der medizinischen Versorgung und dem Kind liegen. Die Zeit ist oft begrenzt, es gilt viele Kinder zu versorgen. Die Zeit für ein Gespräch, das am Bett sitzen und auch mal Tränen aushalten ist dadurch zwangsläufig begrenzt.

Dabei ist das das Hilfreichste, was Mama und Papa in dieser stressigen Zeit passieren kann. Als Doula bin ich nur für dich da, ich habe unbegrenzt Zeit und du darfst meine volle Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen.

Das Reden über das Erlebte – wie geht es wirklich, was sind Ängste und Sorgen – und vor allem der emotionale Support sind in dieser Phase unfassbar wichtig.

Der Übergang nach Hause

Auch wenn das Nach-Hause-Gehen des Babys ansteht und das Erlebte auf der Neonatologie Unsicherheit über die eigene Kompetenz im Umgang mit dem Kind aufkommen lässt und die Freude trübt, kann ein vertrautes Gesicht den Übergang mildern.

Wenn das Kind die Neonatologie verlassen darf, verlässt es auch den für die Eltern sicheren Bereich aus Überwachung und ständig verfügbaren Ansprechpartnern. So lange habt ihr darauf gewartet, euer Baby mit nach Hause zu nehmen – aber was, wenn…?

In dem Fall ist es schön zu wissen, dass ihr in der eigenen Doula jemanden habt, der mit dem Geschehen sehr vertraut ist. Der Mama bestärkt und Papa versichert, dass das Baby auch ohne Messdaten gut überleben kann. Der das verpasste Wochenbett mit den Eltern nachholt und hilft, im Alltag ohne Angst anzukommen.

Mothering the mother – halten, da sein, positiv bestärken. In all der Zeit und dem Stress unfassbar erholsam.

Doula – auch spontan

Der Gedanke, eine Doula sei nur bei einer spontanen, nach Plan laufenden Geburt eine gute Idee, ist in diesem Fall leider grundlegend falsch. Auch nach der Geburt, die wie auch immer traumatisch erlebt wurde, dürft ihr euch Unterstützung holen. Ihr müsst das nicht alleine aushalten.

Dann ist eine Doula genau das Richtige – wir haben Zeit und können uns ganz auf euch fokussieren. Ich wünsche mir, dass alle Eltern diese wertvolle Unterstützung in Anspruch nehmen und dadurch viele nachfolgende Probleme entschärft werden können.

Weil gerade bei einer (drohenden) Frühgeburt eine Doula sehr wertvoll sein kann.

Da sein – mit Herz und Hand, das ist mein Anliegen.

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